Input für die Seele / 22.06.2020

Weiter so?

Kann es sein, dass wir gerade dabei sind, eine Chance zu vertun? Wollen wir den Zustand, den wir vor dem „lock down“ hatten, einfach wiederherstellen? Meinen wir denn, dass alles wieder gut wird, wenn wir nun den preiswerten all inclusive Urlaub wiederbekommen? Der erzwungene Stillstand gab uns doch die Gelegenheit, einmal über uns und unsere Situation nachzudenken.

Wir sind gerannt, je schneller, desto besser. Nicht jeder kam mit und manche wurden zum Verlierer. Wir erfanden neue Worte wie „Entschleunigung“ und machten uns lächerlich über „Gutmenschen“. Populisten standen auf, wurden in die Regierungen gewählt. Politische Entscheidungen wurden, unterstützt durch Lügenkampagnen, durchgesetzt. Aber wir waren nicht blöd und Geiz war geil.

Ja, irgendwie ahnten wir, dass etwas schieflief. Aber wir waren auf der schönen, der Gewinnerseite („the bright side of Life“) und das zerstreute die leisen Bedenken.

Wir hörten zwar, dass viele Menschen in weit entfernten Ländern von tödlichen Gefahren durch ein Ebola-Virus bedroht wurden. So richtig nachvollziehen können wir es aber erst jetzt, wo wir ebenso stark durch ein ebenfalls tödliches Virus betroffen sind.

Manchmal denke ich an die Worte, die viele von Martin Niemöller im Gedächtnis haben:

„Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist.“

„Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Sozialdemokrat.“

„Als sie die Gewerkschaftler holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Gewerkschaftler.“

 „Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.“

Werden wir in einiger Zeit ähnliche Sätze hören?

„Als die Sommer heißer wurden, fand ich es anfangs ganz schön.“

„Als die Bilder von Menschen, die über die tödlichen Stacheldrahtzäune in den spanischen Enklaven Melilla und Ceuta in Nordafrika ihren Weg nach Europa erkämpften, hatte ich ein ungutes Gefühl.“

„ Als es die gleichen Bilder an den europäischen Ostgrenzen gab, erzählten mir manche Politiker, es sei ein Problem, verursacht durch die Schleuser.“

„Als die Menschen im Mittelmeer zu Tausenden auf der Flucht starben, habe ich mich immer noch nicht gefragt, wie viele auf den langen Wegen in Somalia, im Tschad, Sudan oder Libyen umkommen.“

Nein, jetzt nicht einfach zurück zur Situation vor dem lock down. Wir sollten die Gelegenheit nutzen zu lernen! 

Noch etwas Interessantes las ich in einer Biografie von Martin Niemöller:

Was würde Jesus dazu sagen? Martin Niemöller war 9 Jahre alt, als ihm die Frage das erste Mal begegnete. Als er seinen Vater bei einem Krankenbesuch begleitet, steht dort die Frage als frommer Spruch auf Samt gestickt. Was würde Jesus dazu sagen?

Niemöller hat die evangelische Kirche polarisiert. Er war unbequem, eine moralische Nervensäge. Das kann man nicht kopieren, aber etwas können wir lernen. Gott hat uns ein feines Gespür für richtig und falsch gegeben, und wenn wir etwas als falsch erkannt haben, sollen wir den Mund aufmachen, immer und immer wieder, auch wenn wir andere nerven.

Und wenn wir auch manchmal viele Probleme sehen, so gilt die Zusage:

„Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.“ (2. Timotheus 1, 7)

Ich wünsche euch eine schöne Woche!

                                                                                                              Geschrieben von Günter Ozdyk

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